23.10.2017 - Schuldenfalle Erbschaft

Rechtsgebiete: Erbrecht, Vermögensnachfolge

Befinden sich im Nachlass Schulden oder Schwarzgeld, kann es sinnvoll sein, das Erbe auszuschlagen. Was Sie bei einer Erbausschlagung beachten sollten.

Für viele Menschen eine verlockende Aussicht: Durch eine Erbschaft reich zu werden. Doch nicht immer ist eine Erbschaft ein Gewinn.

1) Warum sollte ich mein Erbe ausschlagen?

Nach einem weit verbreiteten Irrtum kann ein Erbe (vermögensmäßig) nur gewinnen. In Wahrheit geht das Gesetz davon aus, dass der Erbe nicht nur das Vermögen, sondern auch alle Schulden des Verstorbenen übernimmt. Und für diese Schulden haftet der Erbe nicht nur mit dem ererbten Nachlassvermögen. Er haftet mit seinem ganzen (auch sonstigen) Privatvermögen. Ist der Nachlass also überschuldet, ist es in den meisten Fällen geboten, die Erbschaft auszuschlagen, das heißt abzulehnen. Allerdings: Dann gibt es in der Regelauch keinen Pflichtteil, sondern eben gar nichts!

Umgekehrt gilt: Wer nicht (fristgerecht) ausschlägt, bleibt ohne weiteres Zutun Erbe, auch Erbe eines überschuldeten Nachlasses. Denn im deutschen Erbrecht gilt der Grundsatz des „Vonselbsterwerbs“ (§§ 1922, 1942 BGB). (Der Erbe erwirbt also die Erbschaft in der Sekunde des Todes von selbst, ohne seine Entscheidung oder gar sein Zutun.)

Übrigens: Wenn nacheinander alle denkbaren testamentarischen und/oder gesetzlichen Erben ausschlagen, erbt letztlich der Staat. Er kann nicht ausschlagen!

2) Wie gehe ich bei der Erbausschlagung vor?

Die Ausschlagung muss gegenüber dem Nachlassgericht geäußert werden. Das geht entweder persönlich beim zuständigen Gericht. Alternativ gibt der Erbe eine notariell beglaubigte Erklärung ab, die dann der Notar in der Regel zum Nachlassgericht schicken wird.

Wichtig innerhalb der Familie: Auch an die Konsequenzen der Ausschlagung denken! Durch die Ausschlagung wird – immer! – jemand anderes Erbe. Dies ist entweder der im Testament vorgesehene Ersatzerbe, oder (bei gesetzlicher Erbfolge, ohne Testament) der „nächste“ gesetzliche Erbe. Das könnten auch die eigenen (minderjährigen!?) Kinder sein. Für sie muss der Vater/die Mutter im Falle eines überschuldeten Nachlasses also auch gleich ausschlagen.

Die fällige Ausschlagungsgebühr orientiert sich am Wert des Nachlasses. Beim überschuldeten Nachlass fällt die Mindestgebühr von 30 Euro an (Ziff. 21201 KV GNotKG).

3) Welche zeitlichen Fristen muss ich beachten?

Nach § 1944 BGB beträgt die Frist nur kurze sechs Wochen, und zwar ab dem Zeitpunkt, zu dem der Erbe/die Erben von der Erbschaft erfahren. Bei Erbschaft aufgrund Testaments: sechs Wochen ab Zusendung des Testaments durch das Nachlassgericht. Diese Zeit ist sehr knapp, und muss trotz der Trauer um den Angehörigen genutzt werden! Die Erben müssen in diesem Zeitraum – oft umfangreich – recherchieren, was im Nachlass vorhanden ist, vor allem ob auch Schulden vorhanden sind. Diese Recherche ist Sache des Erben – das Nachlassgericht ist dafür weder zuständig noch bereit!

Mehr Zeit hat der Erbe, der sich bei Kenntnis seiner Erbschaft im Ausland aufhält (und sei es auf Urlaubsreise): Dann beträgt die Ausschlagungsfrist sechs Monate (§ 1944 Abs. 3 BGB).

4) Und wenn die Zeit nicht reicht? Kann ich die Ausschlagung nachholen, oder rückgängig machen?

Nein. Die 6-Wochen-Frist kann nicht verlängert werden. Nur in ganz engen Ausnahmefällen gibt es die Möglichkeit, eine versehentliche Erbausschlagung, oder eine versehentlich nicht erklärte Erbausschlagung, noch zu korrigieren (z.B. durch Irrtums-Anfechtung, §§ 119, 1954 BGB). Dies kann etwa der Fall sein, wenn erst nach dem 6-Wochen-Zeitraum Schulden auftauchen. Der Erbe könnte dadurch „plötzlich“ den Nachlass als überschuldet erkennen, obwohl er bis dahin von Werthaltigkeit ausgegangen war. Auch umgekehrt kann der Erbe die Ausschlagung anfechten, wenn nachträglich Vermögenswerte auftauchen und deshalb doch keine Überschuldung vorliegt. Aber: Dann muss er die Anfechtung unbedingt sehr sorgfältig formulieren und seinen Irrtum beweisen, damit er beim Nachlassgericht Erfolg hat.

5) Alternativen zur Ausschlagung

Es kann Situationen geben, in denen der Erbe auch bei überschuldeten Nachlass Wert darauf legt, Erbe zu bleiben – z. B. wenn das geliebte Elternhaus, oder auch die seit Generationen vererbte Taschenuhr im Nachlass ist. Rettung bringen kann hier unter anderem die Beantragung von „Nachlassverwaltung“ oder „Nachlassinsolvenz“. So kann der Erbe seine Haftung auf das Nachlassvermögen begrenzen – und dadurch zumindest versuchen, die begehrte Nachlassimmobilie doch für die Familie zu bewahren.

6)  Gibt es noch andere Motivationen für die Ausschlagung?

Ja. Oft ist es nicht die Überschuldung, die zur Ausschlagung führt, sondern eine immense Steuerersparnis. Dies gilt für größere Nachlässe, z.B. mit Immobilien, und umso mehr bei Betriebsvermögen: Dort können bei einer „misslungenen“ Testamentsgestaltung bisweilen sogar Millionenschäden vermieden werden – durch Ausschlagung.

Auch eine größere Summe Schwarzgeld im Erbe kann ein Grund sein, das Erbe auszuschlagen. Der Erbe riskiert nicht nur, selber zum Steuersünder zu werden, wenn er bei der Selbstanzeige etwas falsch macht. Auch das finanzielle Risiko ist groß. Denn der Erbe muss die Steuerschulden des Erblassers nachzahlen - zur Not aus seinem eigenen Vermögen, wenn die Schulden den Nachlass übersteigen.

Und manchmal wollen Erben einfach nichts mit dem Verstorbenen und seinem Vermögen zu tun haben… und schlagen aus.

7) Fazit

Erben kann mit Risiken verbunden sein. Und gerade in diesen Fällen – Stichwort Schulden im Nachlass, Steuerprobleme durch ein schlechtes Testament – hat der Erbe nur wenig Zeit zur Entscheidung: Ausschlagen oder nicht? Er ist also gut beraten, sich (im Zweifel mit anwaltlicher Unterstützung) frühzeitig mit der Zusammensetzung der Erbschaft zu beschäftigen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Ulrich Lambrecht